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Wieso "Jens in Trouble"? Nun ja - mein ungeliebtes Hobby sind eben... Schwierigkeiten! Meist auf Reisen. Was im Kindesalter anfing, als ich mich in weiblicher Begleitung im Wald verlief, wurde nicht besser in Irland auf dem Blechdach, in Namibia mit den Reifen unseres Mietautos, dem im Bus vergessenen Flugticket oder dem Versuch, ohne Reisepass in die USA zu kommen. Und da war ja noch die Sache an der ägyptischen Grenze... na gut, lassen wir das. Ich steck einfach öfters mal "in Trouble"!

2006/07/20

Vergesst Tel Aviv erst mal...

Eines will ich ganz deutlich vorwegnehmen: Die wirkliche Lage in Nordisrael entspricht nicht zu 100 Prozent der durch die Medienberichte entstehenden. Die Unterschiede in der Wahrnehmung der Situation beziehe ich auf drei Gruppen.

Die Zivilbevölkerung in Nordisrael wurde durch die Hisbollah ja gewissermaßen in ihre missliche gegenwärtige Lage gezwungen. Sie nehmen die Gesamtsituation der sie umgebenden Region durch Berichte aus TV und Radio wahr, wie übrigens alle anderen Gruppen auch. Signifikant ist aber die individuelle, persönliche Position, die durch Gespräche vor Ort entsteht, durch Anrufe bei den Bekannten aus den Nachbarorten und nicht zuletzt durch die gegenwärtige Bedrohung der Katjuscha-Raketen.

Die zweite Gruppe ist die der Medienvertreter. Sowohl langjährige Kenner der Region als auch Reporter, die nur vorübergehend da sind, hängen von den einheimischen Medienberichten ab. Diese sind insgesamt wohl besser unterrichtet als der einzelne Journalist und verschaffen einen Gesamteindruck durch Meinungsberichte und Kommentare sowie aktuelle Informationen aus verschiedenen Orten. Der besondere Aspekt hier ist natürlich der journalistische Anspruch, möglichst neutral und matter-of-fact zu berichten, wenn auch sich hier durchaus eine Menge blutrünstiger Sensationsreporter rumtreibt. Das führt zu einem alles in allem „professionalisierten“ Umgang mit der gefährlichen Lage. Nein, nein! Es ist nicht so, dass hier nicht professionell gearbeitet würde. Aber die Berichterstatter sehen sich - auch durch oben genannten Anspruch an sich selbst - nicht als Teil der Gefahrensituation an, so mein Eindruck. Als würden die Raketen auf sie als Neutrale Rücksicht nehmen, fühlen sie sich wie ein unverwundbarer Arzt, der unbeteiligter Dritter ist. Der Unterschied zur ersten Gruppe: die freiwillige Entscheidung, in den beschossenen Gebieten zu sein, und damit die Inkaufnahme und Kalkulation der Gefahr.

Die dritte Gruppe ist die Weltbevölkerung, die an den Fernsehschirmen und in Zeitungsartikeln den Nahen Osten mitverfolgt. Ein Zeitungsartikel im Lokalblatt wird oft genug auch nur aufgrund einer Agenturmeldung sein. Und die kann ja nur negativ im Sinne von „Es ist das und das passiert, soundsoviele sind verletzt!“ sein. Eine Liveberichterstattung vom TV-Team vor Ort, die zum Beispiel sagt „Im Moment ist es ruhig in Haifa“, meint damit auch nichts Anderes. Hier schwingt bei der Aussage des Reporters die Erwartungshaltung des Konsumenten mit. Der Fernsehzuschauer erwartet ja, dass etwas passiert. Meistens passiert aber nichts.

Das sind meine wesentlichen Erkenntnisse des gestrigen Tages, die durch einige sehr spezielle persönliche Erfahrungen entstanden sind.

Eine wirkliche paradoxe Touri-Fahrt im Luxusreisebus durch Haifa mit Journalisten aus aller Welt zu Sehenswürdigkeiten (dazu zählen in diesen Tagen auch zerstörte Häuser und das Krankenhaus). Geführt vom Bürgermeister der Stadt.

Der Besuch des Rambam-Krankenhauses in Haifa, wo ein bei einem Gefecht verwundeter Soldat eingeliefert wurde. Keine fünf Meter vor meiner Nase.

Meine ersten Raketenalarme, die ich nicht im sicher anmutenden Medienvertreterhotel (Stichwort „professionalisierter Umgang“) erlebe, sondern im prall gefüllten Krankenhaus.

Am späten Nachmittag mein erster Raketenalarm, den ich nicht im Gebäude erlebe, sondern im Auto. Vollgas, um die Ecke, Hinterhof, raus aus dem Auto, wo ist Norden?, an die Hauswand, weg vom Fenster!

Aber auch Menschen in der Nähe von Naharia, nur 15 Kilometer südlich der libanesischen Grenze. Ein fast 80-jähriger Jekkes, der auf seiner Veranda sitzt und bei Alarm nach oben auf die Überdachung deutet, lacht und sagt: „Was soll schon passieren, wir sind ja in Sicherheit.“
Oder die Familien, die den Abend in gemütlichem Stuhlkreis vor dem Bunker verbringen. Das Akkordeon wird gespielt, dazu gesungen. Die Kinder turnen umher. Die Außenwirkung: eher Gartenparty als Katjuscha-Beschuss.
In Naharia selbst: Autoverkehr, besuchte Cafés (nein, gefüllt nicht, aber immerhin), keine Spur von dauerndem Beschuss oder ähnlichem, sogar deutlich mehr Straßenverkehr als noch in Haifa.

„Wir haben Einladungen von Freunden und Bekannten aus aller Welt bekommen. Aber was sollen wir denn machen? Das Haus wollen wir doch nicht zurücklassen. Und mit den Kindern weggehen. Irgendwie muss es doch weitergehen“, erzählt mir dort eine junge Mutter.

Die Menschen leben hier ihr Leben unter anderen Umständen als zuvor weiter. Aber es geht weiter. Wenn auch ganz anders als in Tel Aviv. Vergesst erst mal Tel Aviv.

2 Comments:

Anonymous Anonym said...

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8/12/2006 7:36 AM

 
Anonymous Anonym said...

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8/17/2006 1:08 PM

 

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