F

Wieso "Jens in Trouble"? Nun ja - mein ungeliebtes Hobby sind eben... Schwierigkeiten! Meist auf Reisen. Was im Kindesalter anfing, als ich mich in weiblicher Begleitung im Wald verlief, wurde nicht besser in Irland auf dem Blechdach, in Namibia mit den Reifen unseres Mietautos, dem im Bus vergessenen Flugticket oder dem Versuch, ohne Reisepass in die USA zu kommen. Und da war ja noch die Sache an der ägyptischen Grenze... na gut, lassen wir das. Ich steck einfach öfters mal "in Trouble"!

2006/08/07

Zurück aus dem iranischen Kuba

Als Zeichen meiner Frustration über die Opfer der letzten Tage und die wenig Erfolg versprechende Debatte im UN-Sicherheitsrat habe ich einfach mal nichts geschrieben. Quasi auch als Dokumentation von Sprachlosigkeit. Vielleicht hatte ich auch einfach nur keine Lust. Nicht die richtigen Worte zu finden wäre für einen Angehörigen der schreibenden Zunft ja nicht gerade ein positives Merkmal.

Am späten Freitagabend hat sich auch mein Freund aus dem Libanon zurückgemeldet. Nach drei Tagen Training und drei Tagen Kampfeinsatz im Libanon wurde er von seinem Arbeitgeber, einer wichtigen Regierungsbehörde, zurückgerufen. Auf meine Frage, was sein Special-Forces-Team denn für einen Auftrag hatte, erhalte ich die überraschend präzise Antwort, sie hätten eine andere Einheit unterstützt. Nein, Surprise, so viel militärisches Einschätzungsvermögen hätte er mir schon zutrauen können. "Und wie war es?", bohre ich weiter. "Fucked up", lautet die ehrliche Antwort, "überall Raketen gegen unsere gepanzerten Fahrzeuge. Rechts, links, vor uns, über uns, überall."

Trotz des Panzerabwehrfeuers, trotz Staub, Dreck, Müdigkeit ist er jetzt ein bisschen sauer auf seinen Arbeitgeber. Denn als Truppführer musste er jetzt seine Jungs zurücklassen und hat sogar überlegt, Urlaub einzureichen und als Freiwilliger zu seiner Einheit zurückzukehren.

Hinter meiner Frage, ob er "die Schweine von der Hisbollah killen" will, steckt nur ein bisschen Polemik. Mein Freund verneint sofort: "Ich will einfach nur Gerechtigkeit." Hass? Oder wenigstens Wut? "Nein, und Spaß am Töten hab ich erst recht nicht", versichert er, "ich will nur Israel gegen die Angriffe verteidigen." Als er als Wehrpflichtiger vor einigen Jahren in Dschenin und Gaza eingesetzt war, habe er das "nur" als seine Pflicht angesehen. Den jetzigen Krieg, für den sich hier der Name "Zweiter Libanonkrieg" herauskristallisiert (Artikel zur Begriffsfrage), unterstütze er auch freiwillig. Er hält ihn für richtig. "Ich bin körperlich fit, ich bin ein guter Soldat. Besser bin ich im Einsatz als jemand, der es nur wegen seiner Reserveverpflichtung macht!"

Während er erzählt, spielt das beliebte Armeeradio Galgalatz einen Klassiker. "Oooouuuuooo, you're in the army.... now..." Ganz schön makaber eigentlich, finden wir beide. Seit Beginn des Konflikt vor fast vier Wochen haben die Radiosender ihre Musik angepasst und spielen vor allem ruhigere Musik.

In seinem Kommentar fragte Christoph Sydow nach etwaiger Kritik an den bisherigen militärischen Entscheidungen. Ich halte nach meinen letzten Gesprächen und den (wohl schon etwas älteren) Zahlen von CNN (dass über 80% der Israelis den Luft- und Bodenkrieg unterstützen) an der Behauptung fest, dass die Bevölkerung immer noch hinter den Militäroperationen steht. Die Zeitung Haaretz, die politisch wohl Mitte-Links einzuordnen ist (Jerusalem Post: Mitte-Rechts), hat das im zum Wochenende erscheinenden (englischsprachigen) Haaretz Magazine thematisiert. Im Artikel "Systematic failure" kritisiert Journalist Ari Shavit das Establishment:

Das politische Establishment hat versagt. [...] Es ist hastig in den Krieg gegangen, ohne die Aussichten des Krieges angemessen abzuwägen und ohne angemessen seine Ziele zu formulieren. Es hat versagt, weil es in Knechtschaft des Verteidigungsressorts steht, welches kritikunfähig, maßlos und unfokussiert ist. Es hat versagt, weil es Israel in ein Sprengfallenkampfgebiet [sehr nett im Original: "booby-trapped battlefield"] geschubst hat, in dem wir gewinnen müssen, obwohl das unmöglich ist.

Das militärische Establishment hat versagt. [...] Es hat versagt, weil es versprach, einen konventionellen Krieg ohne Blut, Schweiß und Tränen zu gewinnen. [...] Es hat in Arroganz versagt. [...]

Die israelischen Eliten haben versagt. Die Kapitalisten, die Medien und die Akademiker des 21. Jahrhunderts haben Israel geblendet und seines Geistes beraubt. [...] Ihre unaufhörlichen - indirekten und direkten - Angriffe auf Nationalismus, Militarismus und Zionismus verfaulten den Baumstamm der israelischen Existenz von innen und brachten Israel dazu, seine Vitalität zu verlieren.


Ein sehr guter Artikel, den es auch ganz zu lesen lohnt, auch wenn er ein bisschen länger ist. Eine passende Metapher gibt's auch noch:

Ein iranisches Kuba wurde an unserer Nordgrenze etabliert. Wird das iranische Kuba nicht entwaffnet, wird es uns dauerhaft und untolerierbar bedrohen. Aber unsere bisherigen Bemühungen, das iranische Kuba zu entwaffnen, erinnern mehr und mehr an das Fiasko aus der Schweinebucht.

Den Bemühungen auf diplomatischer und politischer Ebene schenken meiner Meinung nach viele Israelis nicht so viel Vertrauen. Lieber würden sie ihre Armee die Sache alleine "erledigen" lassen. Mal sehen, was daraus wird.

Zum Abschluss lege ich mal wieder einen (deutschsprachigen) Artikel ans Herz, der mir sehr gut gefallen hat. Es geht um das Weiterleben von und in Beirut, das ja nach Medienbild sooooo zerstört ist. Im (Propaganda-) Newsletter von der israelischen Botschaft in Deutschland stand einmal drin, dass wohl nur ein Prozent Beiruts zerstört ist. Wenn man sich das Vergleichsbild anguckt, das tagesschau.de seit Tagen online hat (bzw. hatte: Ich find's nicht mehr, Mist! Wer es findet, bitte Link schicken!!), kann ich mir das sogar vielleicht vorstellen. Das sind ja "nur ein paar Häuserblocks". Na ja, schlimm genug ist es.

4 Comments:

Anonymous Anonym said...

Lieber Jens, 08.08.
ich wünsche Dir einen schönen Geburtstag. Laß es Dir gut gehen und pass auf Dich auf!!!!!

In Liebe
Deine Lisa

8/08/2006 1:13 PM

 
Anonymous Anonym said...

Hi Jens,

schöne Grüße aus dem schönen Süchteln und alles alles gute zum Geb.

Pass auf dich auf da unten.

Gruß
Daniel

8/08/2006 3:24 PM

 
Anonymous Anonym said...

Alles jut zum Geb. War mit der Sms ein Tag zu früh dran.Wenn du sie überhaubt bekommen hast.

"pass auf dich auf!"

8/08/2006 5:11 PM

 
Anonymous Anonym said...

Lieber Jens!

Heute kann es regnen, stürmen oder schneien... Happy Birthday to you... Viel Glück und viel Segen...Hoch soll er leben..
Jetzt fällt mir kein Lied mehr ein.
Noch einen schönen Geburtstag, pass auf dich auf!!!

Gruß

Kathrin

8/08/2006 6:29 PM

 

Kommentar veröffentlichen

<< Home