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Wieso "Jens in Trouble"? Nun ja - mein ungeliebtes Hobby sind eben... Schwierigkeiten! Meist auf Reisen. Was im Kindesalter anfing, als ich mich in weiblicher Begleitung im Wald verlief, wurde nicht besser in Irland auf dem Blechdach, in Namibia mit den Reifen unseres Mietautos, dem im Bus vergessenen Flugticket oder dem Versuch, ohne Reisepass in die USA zu kommen. Und da war ja noch die Sache an der ägyptischen Grenze... na gut, lassen wir das. Ich steck einfach öfters mal "in Trouble"!

2006/08/10

Zwei Tage, zwei Minister, zwei Ansichten

Nachdem deutsche Stimmen zum einen Fotos und zum anderen eine Schilderung meines Tagesablaufes gefordert/gewünscht haben, liefere ich nun beides in aller Kürze.

Dienstag, 8. August
Um zwanzig nach acht klingelt das Telefon: "Ich biege gerade in die Abba Hillel ein, kommst du zum Treffpunkt?" Okay, Rucksack geschnappt, schnell noch ne Flasche Wasser aus dem Kühlschrank und los geht's. Am Treffpunkt wartet mein Chef schon, er ist schon auf den Beifahrersitz umgezogen. Meistens fahre ich, so kann er die Ausnahmesituation, einen Praktikanten zu haben, zum Vorteil nutzen und im Auto arbeiten. E-Mails an die Redaktion in Deutschland tippen, Telefonate, Haaretz lesen (auf Hebräisch natürlich), zum Teil schreibt er sogar Artikel während der Fahrt. Nebenbei läuft immer das Radio. Die Sender haben permanent Expertengespräche, politische Kommentare und freilich die neuesten Nachrichten.

Die Fahrt führt mal wieder nach Haifa ins Nof Hotel, wo die PR des Außen-ministeriums zusammen mit dem Pressebüro der Regierung die Journalisten aus dem Ausland betreut. Es geht auf eine Bustour durch den Norden, wir sind also quasi wieder als Presse-Touris unterwegs. Mit an Bord u.a. ARD-Radioreporter, China Central Television, diverse spanische Zeitungsvertreter, Amis und das russisch-israelische Fernsehen (RTVi, siehe Foto).

Die erste Station ist die Hafenstadt Akko (letzte Kreuzritterstadt bis 1291; 1799 vergeblicher Versuch Napoleons, Akko nach Belagerung zu nehmen -> Scheitern der Ägypten-Kampagne), in der seit dem 12. Juli 56 Katjuschas 15 Häuser komplett zerstört und 65 Wohnungen unnutzbar gemacht haben. Hier sind fünf Zivilisten ums Leben gekommen sowie zwei Soldaten. 80% der 52.000 Einwohner sind hier geblieben, 40% der Einwohner können sich die Flucht nicht leisten, 30% der Bewohner Akkos sind Araber. Kausale Zusammenhänge nicht ausgeschlossen. Nach der Presse-konferenz im Rathaus bekommen wir einen Bunker gezeigt, den wir für einen ziemlichen Vorzeige-bunker halten. Neue Toiletten, Tischtennis-platte und einer der bekanntesten israelischen Karikaturisten ist zu Besuch. Ob das wohl Zufall ist, dass wir ausgerechnet hierher gebracht werden? Als während des Besuchs Alarme losgehen, bin ich aber doch recht froh, dass der Bunker von außen einen soliden Eindruck macht. (Bunkerbildchen hier, Upload ist mir nicht gelungen.)

Auf dem Weg aus Akko heraus müssen wir noch einmal hastig anhalten und alle aus dem Bus in ein Mehrfamilienhaus rennen, die Sirene schreit. Die Kollegen, die mit Helm und Splitterschutzweste herumlaufen, belächeln wir ein wenig. Bald geht es weiter nach Ma'alot (Bild), wo wir Bürgermeister Shlomo Buchbut und Infrastrukturminister und Ex-Verteidigungsminister Benjamin Ben-Eli'ezer im Schutzkeller des Rathauses zur Pressekonferenz treffen. Der Minister bezeichnet die Hisbollah als Schlange und die Ankündigung Sinioras, 15.000 Mann in den Südlibanon zu schicken, quittiert er mit der Bemerkung, die libanesische Armee sei ja auch nur "Hisbollah in Uniform". So viel zum israelischen Kabinett. Denn das klingt ja nicht so ganz nach der Linie Olmerts, der die Entsendung immerhin für "eine interessante Idee" hält. (Das meint er übrigens ernst und nicht ironisch, glaube ich, auch wenn es im Kontext jetzt vielleicht so klingen mag.)

Zur Stadt Ma'alot gehört das arabische Städtchen Tarshicha - also Ma'alot-Tarshicha quasi wie bei Castrop-Rauxel und Wanne-Eickel, wie wir im Bus scherzen -, wo ebenfalls ein Bunkerbesuch geplant ist. Viele arabischen Dörfer haben ja gar keine Schutzräme. Die Kinder essen Nudeln mit Gulasch, die Eltern schauen Al-Arabiya-Fernsehen. Als wir ankommen, spielen die Kinder vor den vielen Kameras vollkommen verrückt, schreien "We want peace!" und strecken bei jedem Wort ihre zur Faust geballten Kinderhände in die Höhe. Etwas polemisch möchte man fast sagen, dass sie auch "Tod den Juden" skandieren könnten - ich würde es ihnen auch abkaufen und sie würden es wahrscheinlich ebenso wenig verstehen wie ihre erste Aussage. Andere strecken auf den gestellten Fotos Zeige- und Mittelfinger zum Victory-Zeichen aus, das kennen sie wohl noch aus der Intifada. Schuld daran haben sie wohl kaum, die einen wie die anderen werden zum Opfer eines inneren Triebes, Opfer ihrer inneren Kamerageilheit. Genau wie die Mädchen, die mit Filzstiften Nachrichten an Nasrallah auf Artilleriegeschosse kritzelten (dazu hier).

Am Nachmittag waren wir dann noch im Nordkommando der IDF in der Nähe von Safed. Als wir später im Auto unterwegs von Haifa nach Tel Aviv sind, hören wir im Radio davon, dass der Generalstabschef seinen Stellvertreter dem Nordkommandeur als Wachhund an die Seite gestellt hat.

Den Mittwoch, 9. August handele ich jetzt aber wirklich schnell ab. Morgens nach Jerusalem. Durch den täglichen Verkehrsstau zum Luxushotel King David. Dort ist ein Hintergrundgespräch mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier angesetzt. Rund 30 deutsche Korrespondenten sind dazu zusammengekommen: ZDF, Süddeutsche, Spiegel, Rheinische Post (@PFIFF-ISR-2004-Leser: Gil Yaron) usw. Interessant auch die Kleiderordnung: von der Trekkingsandale in Verbindung mit weißen Socken, über knittrige, ungebügelte Hemden bis hin zum schicken schwarzen Anzug ist alles dabei. Während ich an die Aussage Ben-Eli'ezers erinnere (s.o.), hier die Steinmeier'sche Interpretation der Entsendung libanesischer Soldaten: "Das ist der Versuch Sinioras, mit der Hisbollah um die Ausübung des Gewaltmonopols zu streiten." In dem Zusammenhang lerne ich erneut einen neuen, faszinierenden Begriff kennen. Unser Minister spricht vom "Window of Opportunity", das Siniora nur für einen bestimmten Zeitraum offen stehe. Deswegen sei der Moment richtig gewesen, den Griff nach der Initaitive zu versuchen. Hier der entsprechende Artikel von meinem Praktikumschef.

Zum Schluss gibt's noch ein Bildchen, für das ich vom Stab des Ministers merkwürdige Blicke geerntet habe. Ich hatte mich schon gewundert, warum ich denn der einzige war, der ein Foto schießt. Man habe mir das nachgesehen, wurde ich später informiert und beruhigt. Na dann. Ach ja, nach dem Mittagessen wollten wir eigentlich noch in die PK mit Steinmeier und seiner israelischen Kollegin. Nachdem diese aber immer weiter nach hinten verschoben wurde, machte der nahende Redaktionsschluss in Deutschland uns einen Strich durch die geplante Teilnahme. So, jetzt das Fotto und Schluss.

11 Comments:

Anonymous Anonym said...

Mach doch mal nen Foto von Deinem Chef während der Arbeit! Ach ja der hatte am 23.07 auch Geb. nur so!

8/10/2006 10:29 AM

 
Blogger Jens said...

Hallo anonymer Elmar,

es ist ja nicht so schlimm, dass er da Geburtstag hatte. Wie sich das gehört, hab ich ja auch gratuliert und eine Flasche Rotwein verschenkt.

Toll, nicht?

8/10/2006 10:51 AM

 
Anonymous Anonym said...

Hier ist der direkte Link zu "unserem" Artikel. Ich musste etwas suchen. Daher: ftp://u36457670:8uwtCn5y@info-middle-east.com/Deutsche%20Offiziere%20in%20Israel.htm
Ansonsten sehr schöner Artikel. Interessant etwas über deinen Tagesablauf zu hören.

8/10/2006 11:09 AM

 
Anonymous Anonym said...

So noch einen: da man den Text als reines html leider nur schwer lesen kann, hab ich mal fix ein pdf daraus gemacht und es bei mir hochgeladen.

http://snipurl.com/upmp-KVHAMU

Viel Spass beim lesen.

8/10/2006 11:15 AM

 
Anonymous Anonym said...

Hallo Jens!

Sehr pflichtbewusst! Danke für die Ausführungen zu Deinen "alltäglichen" Erlebnissen - wenn man von "alltäglich" überhaupt sprechen kann!
Wo hast Du denn den Erasmus ausgepackt? Respekt! Der Teil hat mir sehr gut gefallen!

Pass auf Dich auf!

Deine Schwester

8/10/2006 12:52 PM

 
Anonymous Anonym said...

Hi Jens,
danke für deine tollen Worte an mich , hab mich sehr gefreut!!!!!
Dicken Kuß
Deine Lisa

8/10/2006 2:08 PM

 
Anonymous Anonym said...

Ja nicht schlecht! Ich hoffe Du bringst mir auch nen Pülleken mit! Ach ja besten Dank an Deine Schwester für die drei leckeren Diebels! Schon weggeputzt! hmmmm
Wie löpt denn dat Anmelde he! Ich will net immer anonymisch sein he! Dat raff ich nät! Bekomm ich automatisch auch ne Blog??? Ich brauch keinen Blog! "Jeden Tach die selbe Sch....!" Fertig ist mein Blog!
boohh nä bin ich froh wenn ich gleich wieder auf de richtigen Rheinseite bin!

8/10/2006 2:51 PM

 
Anonymous Anonym said...

Hallo anonym!

Einfach bei "Wählen Sie eine Identität aus" auf "Sonstiges" klicken und deinen Namen und ggf. die Adresse deiner Webseite eintragen.

Willkommen auf der richtigen Rheinseite ;-)

8/10/2006 5:30 PM

 
Anonymous Anonym said...

Und jetzt habe ich vor Schreck meinen Namen vergessen!

8/10/2006 5:31 PM

 
Blogger Jens said...

Sehr fein, ihr fangt an euch zu vertragen, das ist ja auch schon mal was wert. Nett, dass die Linksrheiner zusammenhalten.

8/10/2006 6:04 PM

 
Anonymous Anonym said...

Ja klar doch! Ganz einfach! Danke!!
Always welcome at the left low Rhein area!!!

8/11/2006 9:35 AM

 

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